Länderprofil des Arbeitslebens für Belgien

Dieses Profil beschreibt die wichtigsten Merkmale des Arbeitslebens in Belgien. Ziel ist es, relevante Hintergrundinformationen zu den Strukturen, Institutionen, Akteuren und relevanten Regelungen des Arbeitslebens zu liefern.

Dazu gehören Indikatoren, Daten und Regulierungssysteme zu folgenden Aspekten: Akteure und Institutionen, kollektive und individuelle Beschäftigungsbeziehungen, Gesundheit und Wohlbefinden, Entlohnung, Arbeitszeit, Qualifikationen und Ausbildung sowie Gleichstellung und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz. Die Profile werden systematisch alle zwei Jahre aktualisiert.

In diesem Abschnitt werden die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Arbeitskampfmaßnahmen untersucht und die Zahl der Arbeitstage angegeben, die durch Streiks verloren gehen. Es werden die rechtlichen und institutionellen – sowohl kollektiven als auch individuellen – Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten und die Umstände, unter denen sie eingesetzt werden können, erörtert.

Streiks sind im belgischen Recht nicht ausdrücklich anerkannt. Das Streikrecht wird jedoch durch die Europäische Sozialcharta (Artikel 6 Absatz 4 betrifft das Streikrecht) anerkannt, die von Belgien ratifiziert wurde. Ein Gesetz aus dem Jahr 1948 über die Kontinuität der öffentlichen Dienstleistungen im Falle eines Streiks oder einer Aussperrung sieht ebenfalls eine gewisse Regelung dieses Bereichs vor. Auch der Präzedenzfall spielt eine Rolle: Das Kassationsgericht hat das Recht auf Arbeitsniederlegung wegen Streiks anerkannt. Unter "Lockout" versteht man die vorübergehende Schließung eines Unternehmens als Strategie zugunsten der Forderungen der Arbeitgeber. Was eine Aussperrung ausmacht, ist im belgischen Recht jedoch nicht streng definiert, und Aussperrungen kommen selten vor. Wenn ein Tarifvertrag geschlossen wurde, verpflichten sich die Unterzeichner, die Bedingungen des Vertrags einzuhalten und den sozialen Frieden zu wahren. Streiks werden von den Gewerkschaften in Betracht gezogen, wenn alle anderen Mittel zur Herbeiführung einer Lösung ausgeschöpft sind. Die Ankündigung muss vor einem Streik erfolgen, und die Kündigungsfrist muss eingehalten werden. Die wichtigsten Arten von Streiks (auch wenn sie im Gesetz nicht erwähnt werden, wie bereits erwähnt) sind spontane Streiks (grève spontanée/spontane staking), die nach einem plötzlichen Ereignis oder kollektiven Konflikt innerhalb eines Unternehmens stattfinden, und geplante Streiks (grève planifiée/geplande staking), die im Voraus vereinbart wurden. Die Generalstreiks aus Protest gegen die Regierungspolitik im Jahr 2014 machten es zu einem Rekordjahr für Streiks.

Entwicklungen im Bereich der Arbeitskämpfe, 2012–2019

 

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Working days lost per year

345,795

205,974

760,297

207,563

409,752

247,718

422,249

442,311

Number of strikes

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

Anmerkungen: In Belgien gibt es nur eine Datenquelle für verlorene Arbeitstage. Ein Arbeitgeber kann in der monatlichen Sozialversicherungsanmeldung die Anzahl der Tage angeben, an denen jeder Arbeitnehmer aufgrund von Streik/Aussperrung nicht gearbeitet hat und daher nicht bezahlt wurde. Die Sozialversicherungsverwaltung veröffentlicht diese Statistiken vierteljährlich und jährlich. Die Daten umfassen jedoch nicht das Personal der lokalen und regionalen Verwaltungen und anderer Einrichtungen der sozialen Sicherheit (etwa 360 000 Personen). n.a., nicht lieferbar.
Amt für Nationale Sozialversicherung. National Social Security Office.

Mechanismen zur kollektiven Beilegung von Streitigkeiten

Die Vermittlung wird in den paritätischen Ausschüssen organisiert, um Konflikte zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zu vermeiden. Ein Beamter des Arbeitsministeriums wird zum Sozialschlichter ernannt und hat die Aufgabe, die Beziehungen zwischen beiden Parteien zu verbessern.

Individuelle Streitbeilegungsmechanismen

Individuelle Arbeitsstreitigkeiten werden von einem Arbeitsgericht entschieden, das sich aus drei Richtern zusammensetzt (einem gesetzlichen Richter, einem Richter, der aus dem Kreis der Arbeitgeber und einem aus dem Kreis der Arbeitnehmer ausgewählt wird). Vor jeder Verhandlung kann der Richter ein Schlichtungs- oder Mediationsverfahren vorschlagen, oder beide Parteien können freiwillig beschließen, alternative Methoden zur Beilegung der Streitigkeit zu nutzen. Die Schlichtung findet vor dem Arbeitsgericht statt, die Mediation wird von einer externen Person durchgeführt.

Nutzung von Streitbeilegungsmechanismen, 2012–2022

 

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

2022

Labour court

95,248

85,865

88,394

87,962

79,778

49,737

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

Conciliation

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

Mediation

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

n.a.

Hinweis: n.v., nicht verfügbar.
: FÖD Justiz, Schlüsselzahlen zur richterlichen Tätigkeit 2010-2015, Jährliche Statistiken der Gerichte (Daten von 2016).: FPS Justice, Key figures for judicial activity 2010-2015, Annual statistics of courts and tribunals (2016 data).

Nutzung alternativer Streitbeilegungsmechanismen

Lange Zeit wurden alternative Streitbeilegungsverfahren zwar gesetzlich verankert, aber nicht zur Lösung individueller Konflikte in arbeitsrechtlichen Fragen eingesetzt. Im Jahr 2005 wurden durch ein neues Gesetz alternative Wege zur Konfliktlösung neu geregelt. Mediation und Schlichtung können nun sowohl bei individuellen Arbeitskonflikten als auch bei zivilen oder familiären Angelegenheiten eingesetzt werden.

Die wichtigsten Arten der alternativen Streitbeilegung sind wie folgt.

Schlichtung: Hier fungiert eine dritte Partei nur als Vermittler, indem sie den wechselseitigen Informationsfluss zwischen den Konfliktparteien aufrechterhält und eine Schlichtung zwischen ihren Positionen fördert. Der Dritte hört sich jede Seite an – in der Regel persönlich, aber auch telefonisch – und sucht nach einer akzeptablen Lösung, die eine Entschädigung oder alternativ Maßnahmen am Arbeitsplatz sein kann. Der Schlichter fällt kein Urteil und schlägt keine Lösung vor, sondern arbeitet mit dem Antragsteller und dem Arbeitgeber zusammen, um ein akzeptables Ergebnis zu finden. In einigen Ländern schreibt das Gesetz vor, dass der Antragsteller die Dienste eines Schlichters in Anspruch nehmen muss, bevor die Angelegenheit vor einem Arbeitsgericht verhandelt werden kann. Kommt es zu einer Einigung, ist es normal, dass der Fall vom Gericht zurückgezogen und als "erledigt" eingetragen wird.

Mediation: Hier hilft ein unparteiischer Dritter, der Mediator, zwei oder mehr Streitparteien dabei, eine Einigung zu erzielen. Die Mediation basiert auf dem Prinzip der kollaborativen Problemlösung, wobei die Zukunft im Vordergrund steht und Beziehungen wieder aufgebaut werden, anstatt Schuldzuweisungen vorzunehmen. Manchmal kann ein Mediator eine mögliche Lösung des Konflikts vorschlagen, wie es bei kollektiven Arbeitskonflikten der Fall ist. Eine andere Art der Mediation besteht darin, dass der Mediator die Parteien dazu anleitet, ihre eigene Lösung zu finden, indem er sie dazu bringt, andere und neue Denk- und Handlungsweisen zu erkunden. Die dritte Partei hört dann den von jeder Person vorgebrachten Fall an und entscheidet über das Ergebnis. Dieser Ansatz hat seinen Ursprung in der Familienmediation und -schiedsgerichtsbarkeit.

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