Länderprofil des Arbeitslebens in der Slowakei

Dieses Profil beschreibt die wichtigsten Merkmale des Arbeitslebens in der Slowakei. Ziel ist es, relevante Hintergrundinformationen zu den Strukturen, Institutionen, Akteuren und relevanten Regelungen des Arbeitslebens zu liefern.

Dazu gehören Indikatoren, Daten und Regulierungssysteme zu folgenden Aspekten: Akteure und Institutionen, kollektive und individuelle Beschäftigungsbeziehungen, Gesundheit und Wohlbefinden, Entlohnung, Arbeitszeit, Qualifikationen und Ausbildung sowie Gleichstellung und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz. Die Profile werden systematisch alle zwei Jahre aktualisiert.

Dieser Abschnitt befasst sich mit der kollektiven Steuerung von Arbeit und Beschäftigung und konzentriert sich dabei auf das Verhandlungssystem und die Ebenen, auf denen es funktioniert, auf den Prozentsatz der Arbeitnehmer, die von Lohnverhandlungen betroffen sind, auf Verlängerungs- und Ausnahmeregelungen sowie auf andere Aspekte des Arbeitslebens, die in Tarifverträgen geregelt sind.

Das zentrale Anliegen der Arbeitsbeziehungen ist die kollektive Steuerung von Arbeit und Beschäftigung. Dieser Abschnitt befasst sich mit Tarifverhandlungen in der Slowakei.

Tarifverhandlungen sind für die Sozialpartner freiwillig und finden ohne Einmischung des Staates statt. Zweistufige Tarifverhandlungen finden auf Branchen- und Unternehmensebene statt, wobei Tarifverträge mit mehreren Arbeitgebern und mit nur einem Arbeitgeber abgeschlossen werden können. In der Slowakei gibt es keine Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene. Sowohl in Mehrbetrieblern- als auch in Einzeltarifverträgen vereinbarte Regelungen sind für die Vertragsparteien rechtlich bindend. Es gibt keine getrennten Tarifverhandlungen für Angestellte und Arbeiter. Mehrarbeitgebertarifverträge können auf Arbeitgeber ausgedehnt werden, die vergleichbare Tätigkeiten ausüben, wie sie in der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige (NACE) angegeben sind. Tarifverträge gelten für alle Arbeitnehmer gleichermaßen, unabhängig davon, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind oder nicht.

Seit der Wirtschaftskrise ist ein Trend zur Dezentralisierung der Tarifverhandlungen von der Sektor- auf die Unternehmensebene zu beobachten. So wurden beispielsweise in den Jahren 2011 und 2012 27 bzw. 23 neue Mehrarbeitgebertarifverträge von der MPSVR SR registriert. Sowohl in den Jahren 2017 als auch 2018 wurden 14 neue Mehrarbeitgeberverträge registriert. Einige Arbeitgeberverträge werden für mehr als ein Jahr abgeschlossen, was sich auf die Anzahl der im jeweiligen Jahr neu abgeschlossenen Verträge auswirkt. So wurden beispielsweise in den Jahren 2019 und 2020 20 bzw. 11 neue Mehrarbeitgeberverträge registriert. Im Jahr 2022 wurden 13 neue Verträge registriert.

Geltungsbereich von Tarifverhandlungen

Nach Angaben der Sozialpartner fallen landesweit bis zu 35 % der Arbeitnehmer unter einen Tarifvertrag. Laut dem European Company Survey (ECS) 2013 wurden etwa 30 % der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene erfasst, wenn alle Ebenen berücksichtigt werden. Auf sektoraler und regionaler Ebene liegt der Erfassungsgrad bei etwa 10 %. Auch auf beruflicher und sektorübergreifender Ebene beträgt die Abdeckung 10 %.

Tarifbindung von Arbeitnehmern aus unterschiedlichen Quellen

Level% (year)Source
All levels24.4 (2015)OECD and AIAS (2021)
All levels30 (2013)ECS 2013
All levels12 (2019)ECS 2019
All levels64 (2010)*Structure of Earnings Survey 2010
All levels61 (2014)*Structure of Earnings Survey 2014
All levels58 (2018)*Structure of Earnings Survey 2018
All levels35 (2019)Authors’ estimate based on KOZ SR data
All levels30 (2022)Authors’ estimate based on KOZ SR data

* Prozentualer Anteil der Beschäftigten, die in lokalen Einheiten arbeiten, in denen mehr als 50 % der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag abgedeckt sind, im Vergleich zur Gesamtzahl der Beschäftigten, die an der Erhebung teilgenommen haben.

Quellen: Eurofound, ECS 2013 und 2019 (einschließlich Betriebe des privaten Sektors mit >10 Beschäftigten (NACE-Codes B-S), Mehrfachnennungen möglich); Eurostat [earn_ses10_01], [earn_ses14_01], [earn_ses18_01], Verdienststrukturerhebung 2010, 2014 und 2018 (einschließlich Unternehmen mit >10 Beschäftigten (NACE-Codes B-S, ohne O), mit einer einzigen Antwort für jede örtliche Einheit).

Nach Angaben von KOZ SR betrug die Gesamtabdeckung der Arbeitnehmer durch betriebliche Tarifverträge in der Slowakei im Jahr 2019 26,4 %. Im privaten Sektor lag die Abdeckung bei 15,4 % und damit über der vom ECS 2019 geschätzten Abdeckung. Insgesamt ist die tarifliche Abdeckung jedoch höher (rund 35 %), da die Arbeitnehmer in mehreren Betrieben, die nicht unter Betriebsvereinbarungen fallen, durch Mehrbetrieblervereinbarungen abgedeckt sind. Seit 2021, als die Verlängerung der repräsentativen Mehrarbeitgebervereinbarungen abgeschafft wurde, ist der Versicherungsschutz zurückgegangen. Nach Angaben von KOZ SR ist die Zahl der Beschäftigten, die unter Tarifverträge fallen, zwischen 2021 und 2022 um rund 140.000 Beschäftigte zurückgegangen.

Tarifverhandlungen finden auf zwei Ebenen statt: Tarifverhandlungen mit einem einzigen Arbeitgeber auf Unternehmens- oder Betriebsebene und Tarifverhandlungen mit mehreren Arbeitgebern in den meisten Wirtschaftszweigen. Tarifverhandlungen zwischen mehreren Arbeitgebern und nur einem Arbeitgeber spielen eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeit und der Löhne der Arbeitnehmer. Während Tarifverhandlungen mit mehreren Arbeitgebern wichtig sind, dominieren Tarifverhandlungen mit nur einem Arbeitgeber.

Tarifverhandlungen gibt es sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. So werden beispielsweise im öffentlichen Sektor getrennte Tarifverträge für den öffentlichen und den öffentlichen Dienst abgeschlossen. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gilt in erster Linie für Beschäftigte im Bildungs- (einschließlich Forschung) und im Gesundheitswesen.

Ebenen der Tarifverhandlungen, 2022

 

National level (intersectoral)

Sectoral level

Company level

 

Wages

Working time

Wages

Working time

Wages

Working time

Principal or dominant level    

x

x

Important but not dominant level  

x

x

  
Existing level

n.a.

n.a.

    

Artikulation

Eine vertikale Koordinierung liegt vor, weil Tarifverhandlungen auf Branchen- und Unternehmensebene miteinander verknüpft sind. In betrieblichen Tarifverträgen können günstigere Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vereinbart werden, als es im jeweiligen Mehrgliedertarifvertrag festgelegt ist.

Die Verhandlungsrunden beginnen in der Regel einige Monate vor Ende des Kalenderjahres, wenn die Tarifverträge in der Regel auslaufen. Jede Partei kann Verhandlungen aufnehmen, aber die Gewerkschaften machen in der Regel den ersten Schritt, indem sie dem Arbeitgeber, der Unternehmensleitung oder der Arbeitgeberorganisation ihren ersten Vorschlag unterbreiten. Von den Arbeitgebervertretern wird erwartet, dass sie innerhalb von 60 Tagen antworten. Tarifverhandlungen bestehen in der Regel aus einer oder mehreren Verhandlungsrunden. Die Zahl hängt in der Regel von den Forderungen der Gewerkschaften und der wirtschaftlichen Situation auf Arbeitgeberseite ab. Sie kann auch durch den Verhandlungsstil (einvernehmlich oder widersprüchlich) beeinflusst werden.

Tarifverhandlungen werden vertikal über verschiedene Verhandlungsebenen hinweg koordiniert. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Tarifverhandlungen zwischen mehreren Arbeitgebern und Tarifverhandlungen mit nur einem Arbeitgeber. Aufgrund des Zusammenhangs gehen Tarifrunden mit mehreren Arbeitgebern in der Regel Tarifrunden mit nur einem Arbeitgeber voraus. Nach dem Arbeitsgesetzbuch können in Betriebstarifverträgen nur Bestimmungen vereinbart werden, die den Arbeitnehmern entsprechen oder günstiger sind als die im Arbeitsgesetzbuch oder im Mehrarbeitgebertarifvertrag vereinbarten Bestimmungen. So kann z.B. eine gleiche oder eine höhere Lohnerhöhung vereinbart werden. Es gibt keine tariflichen Verhandlungen oder Vereinbarungen, die Muster festlegen. Tarifverhandlungen in den einzelnen Sektoren sind formal unabhängig, ohne dass eine horizontale Koordinierung formalisiert ist.

Die Verlängerung von Tarifverträgen ist gesetzlich zulässig. Tarifverträge mehrerer Arbeitgeber können auf andere Arbeitgeber derselben Branche oder desselben Sektors gemäß den Regeln des Gesetzes Nr. 2/1991 über Tarifverhandlungen in der jeweils geltenden Fassung ausgedehnt werden. Ein Vorschlag für die Verlängerung kann von jedem der vertraglichen Sozialpartner eingereicht werden, in der Regel sind es jedoch die Gewerkschaften, die dies tun. Der Antrag wird der MPSVR SR vorgelegt, und eine spezielle Arbeitsgruppe befasst sich damit. Aufgrund häufiger Änderungen in der Regelung von Verlängerungen hinsichtlich der Einwilligung der von der Verlängerung betroffenen Arbeitgeber werden Verlängerungen nur selten angewendet. So gab es beispielsweise vier Verlängerungen in den Jahren 2005 bis 2006, fünf Verlängerungen im Jahr 2009 und keine in den Jahren 2010 bis 2013.

Seit 2014 war die Verlängerung eines Tarifvertrags ohne Zustimmung des von der Verlängerung betroffenen Arbeitgebers möglich. Einige Gewerkschaftsverbände, insbesondere OZ Kovo, nutzten diese Möglichkeit zu ihrem Vorteil. Im März 2016 entschied das Verfassungsgericht, dass der Verlängerungsmechanismus nicht mit dem verfassungsrechtlich akzeptablen Geist der Gesetzgebung vereinbar ist. Am 1. September 2017 wurde durch Gesetzesänderungen der Begriff "repräsentativer Tarifvertrag mehrerer Arbeitgeber". Nun konnten nur solche Vereinbarungen verlängert werden, und die Zustimmung der Arbeitgeber, die den Tarifvertrag nicht unterzeichnet hatten, war nicht erforderlich. In den Jahren 2019 und 2020 wurden jeweils fünf Arbeitgeberverträge verlängert. Am 1. März 2021 wurde die Verlängerung der Vertretungsvereinbarungen abgeschafft (Gesetz Nr. 76/2021, Artikel II), und im Jahr 2022 wurde kein Tarifvertrag mehrerer Arbeitgeber verlängert.

Abweichungen von Tarifverträgen mehrerer Arbeitgeber sind nur zugunsten der Arbeitnehmer zulässig. So ist es beispielsweise nicht möglich, von Tarifverträgen abzuweichen, um Löhne unterhalb des tariflichen Niveaus zu zahlen. Opt-out-Klauseln werden in Tarifverträgen in der Regel nicht angewendet, und Öffnungsmöglichkeiten unterliegen dem gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsparteien.

Der Tarifvertrag kann gültig bleiben, es sei denn, dass die Geltungsdauer einiger Verpflichtungen darin anders geregelt ist. Wenn das Gültigkeits- oder Ablaufdatum nicht im Tarifvertrag festgelegt ist, gilt er für ein Jahr. Wurden Betriebstarifverträge und Mehrarbeitgebertarifverträge im öffentlichen Dienst früher für ein Jahr abgeschlossen, so werden in jüngster Zeit auch Mehrarbeitertarifverträge im öffentlichen Dienst für einen längeren Zeitraum vereinbart. Früher hatten die Tarifverträge mehrerer Arbeitgeber in der Unternehmensbranche eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren.

Für die Dauer des Tarifvertrags sollte Arbeitsfrieden herrschen. Friedensklauseln als solche sind jedoch in der Regel nicht in Tarifverträgen enthalten. Das Gesetz Nr. 2/1991 über Tarifverhandlungen enthält eine Bestimmung, nach der ein kollektiver Arbeitskonflikt durch die Nichterfüllung von Bestimmungen oder Rechten entstehen kann, die im bestehenden Tarifvertrag vereinbart wurden (Rechtsstreit). In solchen Fällen können die vertraglichen Sozialpartner das Verfahren der Arbeitskonfliktbeilegung in Anspruch nehmen. Zur Beilegung sich abzeichnender Arbeitskonflikte sind in einigen Betriebstarifverträgen interne Mechanismen vorgesehen.

Gemeinsame Themen der Tarifverträge sind neben der wöchentlichen Arbeitszeit und Lohnerhöhungen auch die Vertretungsrechte der Arbeitnehmer, der Arbeitsschutz, Kündigungsregelungen (vor allem Abfindungen), Zuschläge (z. B. für Überstunden, Ferien- oder Nachtarbeit), flexible Arbeitszeitformen, die Einrichtung eines Sozialfonds in den Betrieben und dessen Inanspruchnahme sowie die Nichtdiskriminierung und die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz. Im Jahr 2020 wurden die Bedingungen für die Heimarbeit während der COVID-19-Pandemie in Betriebstarifverträgen vereinbart.

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